Das Traumzeit ist eine absolute Institution im Veranstaltungskalender von Festival-Fans. Seit 1997 lockt die mehrtägige Veranstaltung jedes Jahr im Juni mehrere tausend Musikliebhaber*innen in den Landschaftspark Duisburg-Nord. Die ehemalige Eisenhütte bietet mit ihrer Hochofenkulisse ein einzigartiges Festivalambiente. Spannend dabei ist das mit vielen Geheimtipps gespickte Lineup, das eine enorme musikalische Bandbreite abdeckt.

Ich bin seit vielen Jahren regelmäßig auf Musikfestivals unterwegs, habe es bislang aber leider – bis auf eine kleine Stippvisite in 2013 – aus verschiedenen Gründen nicht aufs Traumzeit geschafft. Nun war es endlich soweit und ich kann euch auf eine kleine Entdeckertour mitnehmen.

Inhalt

5,8 Minuten zu lesen

Das Traumzeit ist eine absolute Institution im Veranstaltungskalender von Festival-Fans. Seit 1997 lockt die mehrtägige Veranstaltung jedes Jahr im Juni mehrere tausend Musikliebhaber*innen in den Landschaftspark Duisburg-Nord. Die ehemalige Eisenhütte bietet mit ihrer Hochofenkulisse ein einzigartiges Festivalambiente. Spannend dabei ist das mit vielen Geheimtipps gespickte Lineup, das eine enorme musikalische Bandbreite abdeckt.

Ich bin seit vielen Jahren regelmäßig auf Musikfestivals unterwegs, habe es bislang aber leider – bis auf eine kleine Stippvisite in 2013 – aus verschiedenen Gründen nicht aufs Traumzeit geschafft. Nun war es endlich soweit und ich kann euch auf eine kleine Entdeckertour mitnehmen.

Jochen Distelmeyer

Chillout-Zone

Thees Uhlmann am Hochofen

Ja, ist schon sehr nett hier

D

ie Rahmenbedingungen am Festival-Samstag sind hart: Der bislang heißeste Tag des Jahres mit Temperaturen von bis zu 34 Grad Celsius verspricht nicht nur heiße Konzerte. Ich lasse es deshalb schön langsam angehen, was auch wunderbar zur Atmosphäre des Festivals passt. Selten habe ich so ein entspanntes und bunt gemischtes Publikum erlebt. Alte Recken in exklusiven Bandshirts, junge Hippies, Normalos und sogar Rentner geben sich ein munteres Stelldichein. Auch die teilweise abgefahrenen und anspruchsvollen Sounds werden vom Publikum immer gebührend honoriert und selbst etwas unbekanntere Acts bekommen vom Publikum eine faire Chance. Das ist leider nicht selbstverständlich. Für die dringend erforderliche Abkühlung sorgen Mitarbeiter mit Wassersprühern und eine kostenfreie Trinkwasserstelle. Man braucht sich auch definitiv nicht über Gebühr zu bewegen, denn die drei Bühnen sind nicht weit voneinander entfernt und werden in der Regel im Wechsel bespielt, so dass man ziemlich entspannt ziemlich viele Konzert sehen kann.

Ich gehe an der Cowper-Bühne vorbei, auf der gerade Jochen Distelmeyer am Start ist und drehe eine kurze Runde über den Festival-Zeltplatz. Im Gegensatz zu vielen anderen Festivals, darf man hier noch mit dem Auto auf den Zeltplatz fahren, was kräfte- und nervenzehrende Schleppereien erspart. Die Camper auf dem übersichtlichen Areal haben in ihren meist liebevoll dekorierten Basislagern einen hervorragenden Blick auf die alten Industrieanlagen des Landschaftsparks. In der Dämmerung taucht die Lichtinstallation des Künstlers Jonathan Park die Industriekulisse in ein buntes Farbenmeer. Hm, vielleicht sollte ich nächstes Mal doch campen? Nach der kleinen Runde ist Zeit für ein kühles erfrischendes Bier. Ein buntes Potpourri aus Foodtrucks, Wein- und Cocktailbar und klassischen Bierständen sorgt für den perfekten Gegenpart zu den Konzerten. Wenn der Magen knurrt, ist die Auswahl auf dem Foodyard riesengroß. Burgerschmieden aller Art, holländische Pommes, balinesisches und israelisches Essen warten darauf ausprobiert zu werden. Das alles in einem stimmig arrangierten Ambiente mit vielen Sitzgelegenheiten im Schatten.

Im Hintergrund sind gerade „Pool“ auf der Hochofen-Bühne beim Soundcheck. Das hört sich interessant an. Also gemütlich austrinken und …

Auf ins Getümmel

E

s soll ja Leute geben, die ihr Festival minutiös durchplanen. Ich gehöre definitiv nicht dazu und lasse das Traumzeit einfach auf mich einwirken, denn die Musik soll an diesem Wochenende bei mir nicht im Vordergrund stehen.

„Pool“ locken mit funkiger Gute-Laune-Mucke die Leute langsam nach vorne in Richtung Bühne. Schon nach kurzer Zeit und Mitsing-Animationen der locker aufgelegten Truppe trauen sich die Leute auch bis vorne an den Bühnenrand. Auf der großen Cowper-Bühne zieht dann Headliner Thees Uhlmann, bekannt als Sänger der Band „Tomte“, die Meute mit eingängigen Rocksounds in seinen Bann. Eigentlich ist der begehbare Hochofen 5 an diesem Wochenende gesperrt, doch mit etwas Glück darf ich heute von oben Bilder machen.

Nach diesem mehr als entspannten Auftakt mache ich mich auf den Weg nach Hause. Die heißen Außentemperaturen fordern ihren Tribut. Übrigens ist das Festival sehr gut mit der Straßenbahn und mit dem Auto erreichbar. Die Straßenbahn macht an dem Wochenende Sonderfahrten, so dass man auch nach dem Headliner ohne große Wartezeit wieder nach Hause kommt.

Atlin Gün

The Editors Tom Smith

Neuer Tag, neues Glück

A

m Festival-Sonntag bin ich etwas eher am Start und stürze mich bei nun angenehmen Außentemperaturen erst einmal auf den Foodyard. Die riesige kulinarische Auswahl habe ich bereits beschrieben, doch am Ende lande ich – typisch Ruhrpott – bei den wirklich hervorragenden holländischen Pommes. Dazu natürlich ein schönes kühles Köpi. Den passenden Soundtrack zum Chillen auf den Palettenmöbeln liefern „Lewsberg“ mit ihrem monotonen low-fi Geschrammel und Sprechgesang. Ab und zu bricht eine lärmende Gitarre hervor. Sicherlich Geschmackssache, aber in dem Moment voll mein Ding.
Weiter geht’s zur Gießhalle. Wo sonst das beliebte Stadtwerke Sommerkino stattfindet, feuern „Altin Gün“ gerade höchst interessante Sounds ab. Die Band aus den Niederlanden hat sich dem Anatolian Rock verschrieben und vermischt traditionelle türkische Musik mit psychedelischen Rockelementen. Die Tribüne der Gießhalle ist gut besucht und vibriert unter der tanzenden Meute. Sehr spannend und erfrischend.

Zurück zur Hochofen-Bühne nehme ich die ersten Songs von „Cari Cari“ mit. Das sympathische Duo aus Österreich beeindruckt gleich zu Beginn mit dem Einsatz ungewöhnlicher Instrumente wie Didgeridoo.

Nun volle Konzentration auf den Headliner. Die „Editors“ haben mich bereits 2013 zum Traumzeit gelockt. 2022 ist es nun endlich wieder soweit und die Band aus UK darf das Festival in diesem Jahr auf der großen Cowper-Bühne beschließen. Doch zunächst ziehen dunkle Wolken auf und ein ordentlicher Schauer zieht über das Festival-Gelände. Als selbsternannter Festival-Profi habe ich natürlich ausgerechnet heute keine Regenjacke mit dabei und flüchte erst einmal unter einen Baum, doch rechtzeitig vor Beginn des Gigs lässt der Regen nach und der Cowperplatz füllt sich ordentlich. Die „Editors“ sind gut aufgelegt und reihen in gewohnt professioneller Manier einen Hit nach den anderen aus ihrer mittlerweile auch schon fast 20-jährigen Karriere. Die Show fokussiert sich dabei stark auf den Frontmann Tom Smith, der stimmlich gut aufgelegt ist und mit ausdrucksstarken Posen und Mimiken glänzt. Leider war nach etwas über einer Stunde die Show schon durch. Ein sichtlich zufriedenes Publikum strömt zu den Ausgängen oder für einen Absacker an die Getränkestände.

Bis nächstes Mal

A

lles in allem ist beim Traumzeit der Name wirklich Programm. Ein bunt gemischtes Lineup mit bekannten Namen und vielen Geheimtipps, entspannte Besucher und ein toller Foodyard. Ein wirklich durchdachtes und hochwertiges Festival mit fairen Preisen. Das alles im tollen Ambiente des Landschaftsparks – eben ein Traum von einem Festival, das in dieser Kombination wirklich einmalig ist.

Fotos: Daniel Fischer